Die Autorin
Diplom Biologin Gabriele Stiller
arbeitet seit fast 30 Jahren freiberuflich mit dem Schwerpunkt gewässerkundlicher Fachgutachten. Außerdem führt sie Seminare sowie Beratungen zur Gewässerunterhaltung durch.

Gute Unterhaltung – auch für unsere Gewässer

Ein neuer Leitfaden des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) informiert über die schonende naturschutzgerechte Gewässerunterhaltung

Gewässerunterhaltung umfasst Maßnahmen zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Abflusses, aber auch zur Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer. Sie gehört in vielen Fließgewässern des norddeutschen Tieflands zu den regelmäßig wiederkehrenden Eingriffen. Dabei betreffen Maßnahmen vor allem die Reduzierung oder vollständige Entfernung des Wasserpflanzenbewuchses im Gewässer und entlang der Ufer, mitunter auch die Entnahme von Sedimenten. Je nach Art, Umfang, Häufigkeit und Intensität haben die Unterhaltungsmaßnahmen unterschiedlich starken Einfluss auf die Lebensgemeinschaften und Strukturen der Gewässer.

Skepsis ausräumen – Vertrauen schaffen

Bei der bisherigen Praxis werden die Gewässer meist über die gesamte Gewässerbreite komplett ausgemäht bzw. ausgeräumt und damit sämtliche Strukturen und Lebensräume „auf einen Schlag“ entfernt. Die Böschungen werden kurz gemäht oder gar mit Schlegelmulchern bearbeitet. Durch den damit verbundenen Mähgut- und Nährstoffeintrag kommt es zu Fäulnisprozessen und Sauerstoffzehrung im Gewässer. Frühe und/oder häufige Unterhaltungsdurchgänge stören die Entwicklungszyklen von Pflanzen und Tieren. Letztere verenden mitunter als „Beifang“ mit dem Mäh- und Räumgut außerhalb des Gewässers.

 

Aufgrund dieser negativen ökologischen Auswirkungen hat die bisherige Gewässerunterhaltung dazu beigetragen, dass die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie nicht erreicht werden. Der gute ökologische Zustand oder das gute ökologische Potenzial unserer Gewässer, aber auch der Artenschutz finden bei der gängigen Praxis keine hinreichende Berücksichtigung. Daher müssen seit dem 31.07.2017 nun auch in Niedersachsen die artenschutzrechtlichen Aspekte der Gewässerunterhaltung direkt durch die vor Ort zuständigen Unterhaltungspflichtigen umgesetzt werden. Die bis dahin geltenden Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten bei Unterhaltungsmaßnahmen (NArtAusnVO) sind außer Kraft getreten.

Was ist schonende Gewässerunterhaltung?

Im Gegensatz zur intensiven Gewässerunterhaltung wird bei der schonenden Gewässerunterhaltung bedarfsorientiert unterhalten. Das heißt es wird einseitig, wechselseitig oder abschnittsweise als sogenannter Stromstrich oder Stromrinne unterhalten. Besonders sensible Bereiche wie die Böschungsfüße im Mittelwasserbereich, die Sohle oder besondere Pflanzenbestände bleiben unbearbeitet. Schlegelmulcher sind bei der artenschonenden Gewässerunterhaltung aufgrund ihrer negativen Wirkungen auf Flora, Fauna und Strukturen tabu. Wo immer möglich wird auf die Böschungsmahd komplett verzichtet oder die Mahd erfolgt mit einem mit Messerbalken ausgestatteten Mähkorb. Hinzu kommt, dass es sogenannte Baggerbegleiter gibt, die das ordnungsgemäß außerhalb des Gewässerprofils im Räumstreifen abgelegte Mäh- und Räumgut nach größeren Tieren durchsuchen, diese absammeln und ins Gewässer zurücksetzen. Schonende Unterhaltung bedeutet, den Abfluss gewährleisten, aber nicht alles schier und ausgeräumt hinterlassen und so Strukturen und Lebensräume erhalten!

Umsetzung in die Praxis

Um die Belange des Artenschutzes und der Abflusssicherung miteinander zu verknüpfen, empfiehlt der aktuelle Leitfaden des NLWKN „Artenschutz - Gewässerunterhaltung“ eine schonende, arten- und naturschutzgerechte Gewässerunterhaltung. Die Anwendung des Leitfadens garantiert den Unterhaltungspflichtigen Rechtssicherheit bei der Gewässerunterhaltung. Außerdem kann eine ökologisch angepasste Unterhaltung auch einen wesentlichen Baustein des fortgesetzten pflanzenschutzrechtlichen Sonderstatus im Alten Land darstellen. Bereits im Dezember 2015 startete der NLWKN das Projekt „Planung, Einführung und Umsetzung einer schonenden Gewässerunterhaltung“. Ein Ziel des Projekts ist die Einrichtung von Modellstrecken, an denen gemeinsam mit umstellungsbereiten Unterhaltungsverbänden beziehungsweise Wasser- und Bodenverbänden eine schonende Unterhaltungsweise eingeführt wird. Um die Wirkung der Unterhaltungsumstellung auf Flora und Fauna zu ermitteln, erfolgt ein Monitoring der Wasserpflanzen und der wirbellosen Fauna jeweils vor und nach Umstellung. Erste Ergebnisse zeigen eine deutliche Zunahme der Artenvielfalt bei Flora und Fauna seit Einführung der schonenden Unterhaltung. Mittlerweile werden im Projekt sechs Modellstrecken im Alten Land und in Kehdingen betreut. Die Verbände werden zusätzlich bei Verbandssitzungen oder Gewässerschauterminen zum Thema schonende Unterhaltung informiert und beraten. Auch werden kostenlose Seminare angeboten, um die Verbände für die Belange des Artenschutzes zu sensibilisieren und die Vorteile der schonenden Unterhaltung aufzuzeigen.

Negativbeispiel eines Marschengewässers nach intensiver Unterhaltung mit einseitigem Schlegeln der Böschung und kompletter Sohlmahd. (Foto: G. Stiller)

Gewässernahe nicht ordnungsgemäße Mähgutablage auf und in der geschlegelten Böschung. (Foto: G. Stiller)

Bei der schonenden Unterhaltung werden maximal 80 Prozent der Sohle freigemäht, der Böschungsfuß wird komplett geschont und das Mähgut außerhalb des Gewässerprofils abgelegt. (Foto: G. Stiller)

Auch Pflanzenbestände wie die besonders geschützte Teichrose bleiben erhalten oder werden nur eingekürzt, um damit Lebensräume für die Gewässerfauna zu erhalten. (Foto: G. Stiller)

 

Die Autorin
Diplom Biologin Gabriele Stiller
arbeitet seit fast 30 Jahren freiberuflich mit dem Schwerpunkt gewässerkundlicher Fachgutachten. Außerdem führt sie Seminare sowie Beratungen zur Gewässerunterhaltung durch.