Die Autorin
Diplom Biologin Gabriele Stiller
arbeitet seit fast 30 Jahren freiberuflich mit dem Schwerpunkt gewässerkundlicher Fachgutachten. Außerdem führt sie Seminare sowie Beratungen zur Gewässerunterhaltung durch.
Die Steinkirchener Neuwettern im Landkreis Stade gehörte zu den ersten Modellstrecken im Projekt „Planung, Einführung und Umsetzung einer schonenden Gewässerunterhaltung“ des NLWKN. Zuständig für die Gewässerunterhaltung sind hier der Guderhandvierteler Vorschleusenverband und der Wetterndorfer Entwässerungsverband im Unterhaltungsverband Altes Land, die sich freiwillig für die Teilnahme am Projekt beworben hatten. Die Wettern erstreckt sich vom Wetternkreuz im Süden, wo sie Frischwasser über den Schwarzen Graben sowie die Lühe erhält, nach Norden, wo sie bei Wetterndorf in die Elbe entwässert. Dabei dient sie nicht nur der Entwässerung, sondern zunehmend der Bewässerung zur Frostschutzberegnung und klimatisierenden Sommerberegnung der umliegenden Obstanbaukulturen.
Überall, wo die schonende Gewässerunterhaltung vorgestellt wird, trifft man auf Bedenken. Neben der Sorge, dass der Abfluss nicht mehr stimmt und damit die angrenzenden Nutzungen beeinträchtigt werden könnten, sind auch höhere Kosten durch die Umstellung ein Argument. Ein weiterer Einwand ist, dass besondere Pflanzen und Tiere vorgefunden werden und/oder geschützte Arten einwandern und dann eine Unterhaltung nicht mehr möglich sei. Diese Bedenken gilt es durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auszuräumen, durch das Einbinden aller Beteiligten von Anfang an. Nach mehreren Treffen wurde gemeinsam mit den Zuständigen vor Ort an der 6,4 Kilometer langen Wettern zunächst ein 1 Kilometer langer Abschnitt an der Dollerner Straße als Modellstrecke festgelegt. Dieser Abschnitt sollte im Falle von Abflussproblemen jederzeit gut erreichbar sein. Ausgehend von der bisherigen intensiven Gewässerunterhaltung wurde ein Konzept zur schonenden Unterhaltung erarbeitet, mit dem Verband diskutiert, einvernehmlich abgestimmt und gemeinsam im Jahr 2017 umgesetzt. Wesentliche Änderung war, dass die Böschungen nicht mehr geschlegelt, sondern bei Bedarf mit dem Mähkorb gemäht werden. Auch wurden Umfang und Häufigkeit der Unterhaltung, das Ablegen des Mähguts und der frühe erste Unterhaltungstermin soweit wie möglich optimiert.
Um die Zusammenarbeit mit den Unterhaltungspflichtigen sowie den ausführenden Lohnunternehmern, deren Baggerfahrern und Baggerbegleitern, weiter zu festigen, wurde 2017 eine erste Schulung zur schonenden Gewässerunterhaltung durchgeführt. Bei den für die Verbände kostenfreien eintägigen Veranstaltungen werden neben den gesetzlichen Grundlagen vor allem Nutzen und Vorteile sowie Methoden der schonenden Unterhaltung anhand von Beispielen aus der Praxis vermittelt. Auch werden mit einem Bagger vor Ort die verschiedenen Unterhaltungsweisen am Gewässer erprobt und diskutiert. Anschließend werden Pflanzen, Tiere und deren Lebensräume im und am Gewässer untersucht. Beim Keschern und Bestimmen staunen die Teilnehmer nicht selten über die Vielfalt in ihren Gewässern, die es zu erhalten oder zu fördern gilt.
Seit Einführung der schonenden Unterhaltung an der Steinkirchener Neuwettern in 2017 wurde am regen Austausch aller Beteiligte festgehalten - auch um rechtzeitiges Nachjustieren zu ermöglichen. Denn je nach Witterung oder auch Pflanzenbewuchs muss der Unterhaltungsplan über die Jahre eventuell angepasst werden. Durch den engen Kontakt mit allen Beteiligten und speziell durch die Schulung konnte weiter Vertrauen zu den Beteiligten aufgebaut und Skepsis abgebaut werden. Inzwischen haben sich die guten Erfahrungen aus dem Projekt herumgesprochen, so dass Verbände unabhängig von den Modellstrecken nach Beratung und Schulungen fragen.
Seit 2020 wird die Steinkirchener Neuwettern nun auf der gesamten Länge (6,4 km) schonend unterhalten. Vor allem der Verzicht auf das Schlegeln der Uferböschungen und die Baggerbegleitung haben sich positiv auf den Artenschutz ausgewirkt. Die an der Modellstrecke gesammelten Erfahrungen belegen, dass Natur- und Artenschutz sowie die Einhaltung der EG-Wasserrahmenrichtlinie erfüllt werden können und gleichzeitig der ordnungsgemäße Abfluss sichergestellt bleibt. Dabei ist die erfolgreiche Einführung und Fortführung der schonenden Unterhaltung auch der konstruktiven Mitarbeit und dem anhaltend großen Einsatz der zuständigen Vertreter der örtlichen Wasser- und Bodenverbände sowie Unterhaltungsverbände zu verdanken, die stets ihr Umfeld sowie die Projektbeteiligten informieren und einbinden. - Denn schonende Gewässerunterhaltung ist nur gemeinsam möglich!
Beim Einsatz des Schlegelmulchers zur Böschungsmahd werden die Pflanzen gehäckselt. (Foto: G. Stiller)
Im Böschungsbewuchs lebende Tiere werden durch den Einsatz des Schlegelmulchers getötet. (Foto: G. Stiller)
Baggerbegleiter durchsuchen das ordnungsgemäß auf dem Räumstreifen abgelegte Mähgut, sammeln Tiere ab und setzen sie ins Gewässer zurück. (Foto: G. Stiller)
Der geschützte Schlammpeitzger wurde durch der Baggerbegleitung gerettet. (Foto: G. Stiller)
Schulung zur schonenden Gewässerunterhaltung mit Bestimmungsübungen. (Foto: G. Stiller)
Die Autorin
Diplom Biologin Gabriele Stiller
arbeitet seit fast 30 Jahren freiberuflich mit dem Schwerpunkt gewässerkundlicher Fachgutachten. Außerdem führt sie Seminare sowie Beratungen zur Gewässerunterhaltung durch.